Allen Herpesviren ist gemeinsam, dass die Virionen im Zellkern vormontiert werden und im Zytosol reifen. Aufgrund von Größenbeschränkungen können diese Kapside nicht über die Kernporen vom Zellkern ins Zytosol wandern, sondern sind für die Übertragung auf einen Herpesvirus-spezifischen Mechanismus angewiesen, den sogenannten Kernaustritt. Dieser Prozess wird durch die Bildung des Kern-Kern-Austrittskomplexes (Core NEC) zwischen zwei Virusproteinen eingeleitet.
Herpesvirusinfektionen werden mit zahlreichen lebensbedrohlichen Krankheiten in Verbindung gebracht, es fehlen jedoch Impfstoffe, beispielsweise gegen HCMV und EBV. Verfügbare Medikamente sind mit Toxizitäts- und Bioverfügbarkeitsproblemen verbunden und unterliegen der ständigen Gefahr der Entstehung von Arzneimittelresistenzen oder Impfstoff-Escape-Mutationen. Daher ist Forschung, die neue Herpesvirus-Medikamentenziele wie den Herpesvirus-Kern-NEC untersucht, sehr willkommen.
Ein Kennzeichen aller Komplexe ist die sogenannte Hook-in-Groove-Interaktion, bei der ein Protein eine rillenartige Oberfläche bildet, an die ein hakenartiges zusammenhängendes Segment aus dreißig Resten des zweiten Proteins bindet. Dieses Interaktionsmotiv macht etwa 80 % der Gesamtzahl der Interaktionen aus, die zwischen den Proteinen im Komplex gebildet werden. Aufgrund der zusammenhängenden Natur des Hakenepitops ist die Haken-in-Rille-Interaktion als Ziel für die Entwicklung von Antiherpesviren-Medikamenten sehr vielversprechend.
Im vorliegenden Vorschlag werden wir auf der vorherigen eingehenden Charakterisierung der drei prototypischen NECs aufbauen und das synergistische Potenzial von molekularen Evolutionstechniken (Phagendisplay und SplitGFP-Reassemblierung) und Computertechniken (computergestütztes Proteindesign und bioinformatische Untersuchung der NEC-Sequenzkoevolution) untersuchen, um neue und möglicherweise kleinere Peptide zu identifizieren, die das Hakensegment im Kern-NEC ersetzen und so die NEC-Bildung hemmen können. Schließlich könnten diese in Peptidomimetika und schließlich in hemmende kleine Moleküle umgewandelt werden. Ein solcher Ansatz hat sich bei Proteinasen von medizinischem Interesse (z. B. HIV-Proteaseinhibitoren) als äußerst erfolgreich erwiesen. Die gleiche Strategie wird jedoch bei herpesviralen NEC-Inhibitoren einen erheblichen Forschungsaufwand erfordern.
Die skizzierte Forschung stützt sich auf die kombinierte Expertise der drei Antragsteller und zweier externer Kooperationspartner, nämlich Prof. Jutta Eichler (FAU, Peptidsynthese, kompetitive Bindungsassays) und Prof. Manfred Marschall (FAU, Virologie, Kolokalisationsbildgebung, Virusvermehrungsassays). Diese Gruppe hat in der Vergangenheit bereits intensiv zusammengearbeitet und insbesondere an der erfolgreichen Erforschung des NEC mitgewirkt.
ORCID iD: https://orcid.org/0000-0002-1160-8762